Sonntag, 27. Juli 2014

Ausflug: Klosterneuburg

Klosterneuburg nördlich von Wien gelegen, ist sowohl als Ausgangspunkt für eine Wanderung (wie in meinem Fall) als auch als Selbstzweck einen Besuch wert.

Blick auf Klosterneuburg vom Leopoldsberg aus
Wer mag, kann einem historischen Lehrpfad durch die Stadt folgen, welcher auf dem Weg zum Stift unter anderem beim Häuserl am Fleck vorbeiführt. Die nebenstehende Tafel informiert, dass mit „Fleck“ früher auch eine Brandstätte gemeint war und obwohl 1550 erstmals im Grundbuch erwähnt, wohl schon vorher an dieser Stelle ein Haus gestanden hatte, welches im Zuge der ersten Türkenbelagerung Wiens 1529 vernichtet worden war.

Häuserl am Fleck
Klosterneuburg ist in erster Linie aber zweifelsohne wegen seines Stiftes bekannt, welches mit der Grundsteinlegung im Jahr 1114 durch Leopold III., Markgraf v. Österreich in diesem Jahr sein 900jähriges Jubliäum feiert.

neue Plakette
Diesbezüglich ist interessant, dass vom 4. bis 8. Juni 1914 auch das 800jährige Bestehen des Stiftes gefeiert wurde, was aus rückblickender Sicht beinahe etwas befremdlich wirken mag, weil man doch mit dem Jahr 1914 heutzutage fast ausschließlich den Ausbruch des Ersten Weltkrieges in Verbindung bringt. Welche Gespräche während dieser Feierlichkeiten wohl stattgefunden haben mögen?

Stiftskirche von innen und außen (restauriert im 19. Jh.)
Für mich ein schönes Beispiel dafür, dass die schlaglichtartigte Chronologie wie sie insbesondere durch die vormals vorherrschende politische Geschichtsschreibung betrieben wurde, alleine nie ausreichend ist, um alles Geschehen angemessen zu erfassen, sondern viele Perspektiven (aus Sozial-, Wirtschaftsgeschichte u.v.m.) notwendig sind, um ein möglichst vollständig Ganzes zu ergeben.

Links:
Jubiläum in Klosterneuburg
Tassilo Dominic Lorenz, Die Achthundert-Jahrfeier des Stiftes Klosterneuburg (pdf)

Literatur:
Berthold Černik, Das Augustiner-Chorherrenstift Klosterneuburg. Geschichtliche Daten (Wien 1958)
Maximilian Fischer, Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg aus Urkunden gezogen (Wien 1815)

Donnerstag, 26. Juni 2014

Randnotiz: Jubiläumsangelegenheiten

100 Jahre Erster Weltkrieg - ein Blick in diverse Bücherregale spricht diesbezüglich momentan buchstäblich Bände.

Jubiläen sind grundsätzlich der ideale Anlass, um sich mit dem jeweils jubilierten Thema (neu) auseinanderzusetzen, was meist in Form neuer Bücher, Tagungen, Ausstellungen u. dgl. geschieht. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, mögen durch einen sich ändernden Blickwinkel dadurch auch immer wieder neue Erkenntnisse zu Tage gefördert und/oder die Thematik wieder stärker ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden.

Eine Frage, die sich, meines Erachtens, jedoch IMMER an eine solche erneute Aufarbeitung anschließen muss, ist: Was hat sich seither geändert? Wie ist der heutige Stand der Dinge?

Dadurch wird ein Bezug zur Gegenwart hergestellt, der diesen Jubiläen (die sonst in erster Linie eher kommerziell, politisch instrumentalisierend oder bloß unterhaltungstechnisch interessant sein mögen) erst eine gewisse Bedeutung verleihen kann und möglicherweise vor einem Wiederkäuen des ewig Gleichen zu bewahren vermag.

Und genau dadurch bestünde, nach meiner Meinung, zumindest die Chance, dass der Mensch tatsächlich aus der Geschichte etwas für sein gegenwärtiges und künftiges Handeln lernt.

Freitag, 6. Juni 2014

Salve!

In Zeiten finanzieller Sparmaßnahmen im universitären Bereich müssen sich insbesondere die Geisteswissenschaften immer öfter die Frage gefallen lassen, wozu man sie eigentlich braucht.

Sie verfügen zwar über einen gewissen Unterhaltungswert. Die Geschichte wurde und wird politisch instrumentalisiert, um Identitäten zu stiften, Herrschaftsansprüche zu legitimieren, eine Zielgerichtetheit zu postulieren, die es nie gegeben hat usw.
Aber keine der Geisteswissenschaften bringt Erfindungen hervor, die dem Menschen das Leben erleichtern oder gar Krankheiten heilen können. Wozu also?

Die Antwort ist nach wie vor in dem nach Wilhelm Dilthey die Geistewissenschaften kennzeichnenden „Verstehen“ zu finden.
Auch wenn diese Dichotomie vom Erklären der Natur- und Verstehen der Geisteswissenschaften längst nicht mehr aufrecht zu erhalten ist, liegt die wesentliche Aufgabe der Geisteswissenschaften darin, ein Verständnis der Welt anzustreben.
Und dieses Streben nach Verstehen ist keineswegs Selbstzweck, sondern stellt die Ausgangslage dar für Reflexionen über das eigene Sein, über aktuelle Probleme insbesondere im Zusammenleben mit anderen Menschen (verschiedener Kulturkreise).

In der Rekonstruktion der vergangenen Welt, welche zwar nie lückenlos abzuschließen ist, weil immer wieder neue Fragen an die Objekte und Ereignisse der Vergangenheit gestellt werden, steckt ein wertvolles Potential, wichtige Erkenntnisse für gegenwärtige Diskurse und künftige gesellschaftliche Gestaltungsmöglichkeiten zu erbringen.

Ob sich daraus auch die Erstellung eines weiteren Geschichtsblogs legitimiert, mag jeder für sich selbst entscheiden... ;)


Literatur:

Florian Keisinger, Steffen Seischab (Hg.), Wozu Geisteswissenschaften? Kontroverse Argumente für eine überfällige Debatte (Frankfurt a. M./New York 2003)

Wilhelm Dilthey, Der Aufbau der geschichtlichen Welt in den Geisteswissenschaften (Frankfurt a. M. 1970)