Sonntag, 6. August 2017

Wundersames im Schloss

Es mag nicht ganz klar sein, ob es sich tatsächlich um das älteste Museum der Welt handelt. Konkurrent für diesen Titel sind etwa die Vatikanischen Sammlungen, deren Gründungsmoment mit dem Fund der Laokoon-Statue 1506 datiert wird.
Nichtsdestoweniger handelt es sich bei Schloss Ambras um einen eindrucksvollen Sammlungsort, dessen ursprüngliche mittelalterliche Burg definitiv das ältere Museumsfundament darstellt. 

Schloss Ambras - Hochschloss
Von Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595) für seine Frau Philippine Welser in ein Renaissanceschloss umgebaut, wurde es eigens als musealer Ort konzipiert, um Platz für die umfangreichen Sammlungen des Erzherzogs zu bieten.

Im Hochschluss findet man heute eine umfassende Porträtgalerie der Habsburger, gotische Skulpturen und die Glassammlung Strasser sowie derzeit eine Sonderausstellung zum Leben, Schaffen und Sein von Erzherzog Ferdinand II. selbst.
Die beeindruckendsten Objekte sind die der Kunst- und Wunderkammer des Schlosses, weil hier beispielsweise mit Bildern des Haarmenschen, eines Riesenschweins, einer Figur „Tödlein“ genannt und insbesondere dem „Ambraser Schüttelkasten“ eher unübliche Gegenstände anzutreffen sind. 

Tödlein
Neben den darin befindlichen Schaustücken ist auch das Gebäude selbst ein Erlebnis. Der Weg führt unter anderem durch eine Kapelle des St. Nikolaus, das Bad der Philippine Welser inklusive Heiz- und Schwitzraum sowie den Spanischen Saal, welcher sehr aufwendig mit den Porträts der Tiroler Landesfürsten ausgestaltet wurde. Die Wände des Innenhofes sind mit Grisaillemalereien verziert. 

Spanischer Saal
Die sehr schöne Parkanlage – auch mit einer Bacchus-Grotte (leider ohne Wein) – komplettiert das Schloss als Empfehlung für ein landschaftlich schönes und kulturell wertvolles Ausflugsziel.

Bacchus-Grotte
Wiederbesuchswert haben für mich vor allem das Gebäude selbst und die charmanten Objekte der Wunderkammer. Die Porträtgalerie ist mit ihrer Fülle für einen Tag etwas überfordernd und macht auf alle Fälle eine Schwerpunktsetzung empfehlenswert.

Die Sonderausstellung zu Ferdinand II., die noch bis 8. Oktober 2017 zu sehen ist, wurde sehr nett aufbereitet. Die Begrüßung durch einen virtuellen Ferdinand II. zu Beginn sorgt (neben Werbung für das Jubiläumsjahr von Maria Theresia) für eine gewisse humoristische Note. Die gezeigten Objekte sind gut ausgewählt und aufbereitet (trotz überwiegend gedämpfter Beleuchtung hat man es nicht verabsäumt, auf lesbare Beschriftungen zu achten).

Infos:
https://www.schlossambras-innsbruck.at/ 

Montag, 8. Mai 2017

#PlayingHistory - Spielerische Geschichte: Illusionen

Spiele werben zum einen gerne als marktwirtschaftliche Strategie mit Historie als Anreiz, um durch die spielerisch kreierte Illusion, handelnd in Geschichte eingreifen zu können, einem gewissen Wiedererkennungswert von Geschichte usw.1
Das dadurch ebenfalls geweckte Interesse seitens der HistorikerInnen, sich diesen Spielen aus wissenschaftlicher Perspektive zu widmen, fällt jedoch kritisch aus, weil der Unterhaltungsanspruch gerne eine zu rigorose Reduktion der historischen Sachverhalte provoziert, was letztlich von wissenschaftlicher Seite (wenn auch nicht unbedingt gerechtfertigt) kritisiert wird.

Eine Möglichkeit, einem solchen Dilemma zu entgehen, sind scheinbar Spiele, die von Vornherein klarstellen, in einer fiktiven Welt zu spielen und sich nur bedingt an reale historische Ereignisse anlehnen.
Solchen Spielen kann der Vorwurf, Geschichte unzulässig zu verdrehen bzw. zu verkürzen eigentlich nicht mehr gemacht werden.

Ein jüngeres Beispiel für Spiele dieser Art ist „Herald – An Interactive Period Drama“2, von welchem die ersten zwei Bücher erschienen sind und das bereits mit der Aussage beginnt, dass sich die Ereignisse recht zufällig and reale historische Gegegebenheiten anlehnen bzw. von diesen inspiriert werden.

Screenshot aus dem Spiel

Da hier nicht einmal mehr der Anspruch erhoben wird, real Geschehenes wiederzugeben, scheint es wenig zielführend zu sein, diesen Spielen einen wissensvermittelnden Nutzen zusprechen zu wollen. Zudem ist bereits vorab ein gewisses Maß an historischem Wissen erforderlich, weil das Spiel selbst nicht klarstellt, wann es Fiktion ist oder historische Fakten verwendet.

Ein weiterer Vorteil dieser Taktik ist eine Ausflucht vor der Tatsache, dass die Rezeption historischer Ereignisse für eine spielerische Handlung möglicherweise nicht in der Lage ist, ausreichend unterhaltsame Spannung aufzubauen, weil schließlich der Ausgang historischer Ereignisse bereits bekannt ist.3
Durch den Fiktionsanspruch von „Herald“ bleibt offen, ob es eine Abweichung von den kontextualisierenden historischen Ereignissen geben wird.

So wird man also an Board der Herald in eine fiktive Geschichte entlassen, welche die Gestaltung ihres Umfeldes aus realen historischen Ereignissen requiriert. Schnell wird klar, dass man sich im Dunstkreis der britischen Kolonialherrschaft befindet, kurz vor dem indischen Aufstand im Jahr 1857.

Screenshots aus dem Spiel

Diese Illusion von Historizität wird durch eine entsprechende optische Gestaltung der Charaktere, durch die Einbettung mancher Schriftstücke wie beispielsweise einer Zeitung veranschaulicht oder auch durch eine Jahreszahl auf dem Rettungsring.

Screenshots aus dem Spiel

Ebenso wird mit der Typisierung des Schiffes die zeitliche Epoche auf das 19. Jh. gefestigt, war doch der Klipper ein in diesem Zeitraum vorherrschendes Segel- und Transportschiff.

Neben der historischen optischen Illusion des 19. Jhs. suggeriert das Spiel auch die entsprechende historisch valide Vergangenheit.

In Form von Gemälden im Schiff finden sich etwa Belege für die Englisch-Niederländischen Seekriege – wie die Schlacht von Scheveningen 1653 oder den Friedensvertrag von Westminster 1654.4

Screenshots aus dem Spiel

Um seinen, wenn auch aufgrund seiner verschwommenen Grenzen zwischen Fakt und Fiktion marginalen, aber durchaus vorhandenen erkenntisfördernden Nutzen zu unterstreichen, bietet das Spiel in Form von Tagebuchnotizen zu im Spiel gefundenen Gegenständen weitere diverse Informationen.

Screenshot aus dem Spiel

Wobei es bei all diesen Angaben nicht nur aufgrund der Ankündigung zu Beginn wenig ratsam erscheint, die im Spiel dargelegten Informationen unhinterfragt zu akzeptieren.

Das Spiel betreibt wissentlich keinen Geschichtsunterricht, sondern betont von Vornherein, dass es sich um einen alternativen Entwurf handelt, der lediglich an manchen Stellen reale Ereignisse aufgreift. Inwieweit Abweichungen bestehen, wird vielleicht der künftige Fortgang der Geschichte deutlicher zeigen. Bis jetzt sind nur die ersten zwei Bücher von „Herald“ erschienen und somit bleibt offen, ob fiktiv dennoch ungefähr reale Geschichte nacherzählt oder kontrafaktische Geschichte betrieben wird.

Somit bleibt ebenfalls unklar, ob die anfängliche Ankündigung ein reiner Unterschied in der Formulierung ist und letztlich kein Unterschied zur Betrachtungsweise von Spielen besteht, die betonen, dass sie sich an realen Ereignissen orientieren oder tatsächlich Sinn in einer solchen Unterscheidung liegt.

Fortsetzung folgt, wenn die Fortsetzung vom Spiel folgt...
 

1 Angela Schwarz, Siegen ist erst der Anfang, oder: Was kommt nach der Annäherung an die Geschichte im Computerspiel? In: Angela Schwarz (Hg.), „Wollten Sie auch immer schon einmal pestvereuchte Kühe auf Ihre Gegner werfen?“ Eine fachwissenschaftliche Annäherung an Geschichte im Computerspiel (Münster 22012) 266f. 
2 https://en.wikipedia.org/wiki/Herald:_An_Interactive_Period_Drama  
3 Angela Schwarz, Narration und Narrativ. Geschichte erzählen in Videospielen. In: Florian Kerschbaumer, Tobias Winnerling (Hg.), Frühe Neuzeit im Videospiel. Geschichtswissenschaftliche Perspektiven (Bielefeld 2014) 30.  
4 http://www.ieg-friedensvertraege.de/treaty/1654%20IV%205%20Friedensvertrag%20von%20Westminster/t-1103-3-de.html