Freitag, 21. Oktober 2016

#PlayingHistory - Spielerische Geschichte: Österreichische Blicke

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Der Ursprung dieses Beitrages liegt in der Anstupserei durch Eugen Pfister (@Trogambouille) auf Twitter begründet, der durch die folgende Übersicht bei Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/Category:Video_games_set_in_Austria den Eindruck gewon- nen hat, dass Österreich als spielerischer Schauplatz in erster Linie nur für Autorennen und Nazi-Thematik interessant zu sein scheint.1

Von den mir in der Liste bekannten Titeln, sticht zumindest „The Last Express“2 hervor, dessen fiktive Handlung sich immerhin im Orient-Express auf seiner letzten Fahrt von Paris nach Konstantinopel vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ereignet und somit neben der geschichtsträchtigen Thematik natürlich auch in Österreich Halt macht (und nichts mit Autorennen oder Nazis zu tun hat).

The Last Express: ein etwas idealisiertes Wien
Dennoch bietet diese Liste Anlass genug, weiter über dieses Thema nachzudenken.
Erste Resultate dieses Sinnierens und Recherchierens zeigen, dass es durchaus weitere in Österreich eingebettete Spiele gibt.

Als erstes Beispiel sei „The Watchmaker“3 genannt, dessen Schauplatz ein österreichisches Schloss im Vordergrunde österreichischer Berge ist. 

The Watchmaker: irgendwo in Österreich
Die Handlung selbst ist als phantastische zu qualifizieren und hat keinerlei Bezug zu Österreich. Das heißt, für die erzählte Geschichte selbst ist hier der Ort im Grunde völlig unerheblich.

Einen ähnlich abstrakten bzw. geheimen Bezug enthält, wie bereits in einem früheren Beitrag angemerkt4, das Spiel „Mafia“5, welches das Kunsthistorische Museum in Wien als Vorlage für das Kunstmuseum im fiktiven Lost Heaven verwendet hat. Da auf diese Tatsache im Spiel selbst jedoch nicht hingewiesen wird, bleibt auch hier der österreichische Bezug ein höchst marginaler.

Es gibt aber auch Spiele, in denen der österreichische Kontext gründlicher ausfällt.

Im Österreich des frühen 20. Jahrhunderts spielt „The Lion's Song“.6 Die sehr psychologisch konnotierte Geschichte ist selbst ebenfalls nicht zwingend mit dem österreichischen Standort verbunden, dafür aber sehr gut in die Umgebung eingebettet.

The Lion's Song: Stift Melk im Hintergrund
Örtlichen Gegebenheiten huldigend, begibt man sich zu Beginn des Spieles von Melk nach Wien. Von weit größerem Interesse ist aber hier eigentlich das vermittelte kulturelle Flair Österreichs. Dadurch dass die Protagonistin eine Komponistin ist, tauchen berühmte Namen wie Arnold Schönberg und Gustav Mahler auf. Zudem werden auch Zeilen aus Rainer Maria Rilkes „Panther“ im Spiel rezitiert. In der zweiten Episode soll dann die Wiener Kunstszene Teil des Geschehens werden.
Hier zeigt sich sehr deutlich, dass man sich letztlich nicht immer auf die Konstruktion bloßer Kulissen beschränken muss (bzw. dass dies alleine oft gar nicht ausreicht), um einem Spiel regionalen Kontext zu verleihen.

Aus dem Bereich der sogenannten Fanadventures7 stammt „Sowjet Unterzögersdorf“,8 welches sich als Schauplatz einen Ort im österreichischen Weinviertel auserkoren hat, um spielerisch ein alternatives Geschichtsmodell zu entwerfen.

Ein weiteres Fanadventure ist „Oh du lieber Augustin“,9 das nicht nur in Österreich spielt, sondern es sich auch zur Aufgabe gemacht hat, die Entstehung des bekannten Volksliedes historisch möglichst akkurat zu erzählen. Es handelt sich hier um ein sehr schönes Beispiel dafür, wie man ein Spiel entwickeln kann, das in erster Linie unterhalten soll, aber inhaltlich dennoch Wissen aufbereitet und vermittelt.

Worin besteht bzw. bestünde nun aber der Nutzen eines vermehrten österreichischen Hintergrundes in Spielen?

Zum einen zeigen Spiele wie „The Last Express“ oder „Oh du lieber Augustin“, wie es möglich ist, historische Ereignisse unterhaltsam aufzubereiten und somit auf spielerische Weise zu einem österreichischen Geschichtsbewusstein abseits des Zweiten Weltkrieges beizutragen.

Weiters ist wiederum die touristische Komponente bei verstärkter österreichisch-spielerischer Präsenz zu bedenken. Es ist nicht auszuschließen, dass hierfür auch die bloße Kulisse bei einem Autorennspiel motivierend wirkt, um den realen Ort der Raserei einmal persönlich aufzusuchen, aber als Paradebeispiel kann einmal mehr „Gabriel Knight 2 – The Beast Within“10 genannt werden, das mit Schauplätzen wie Rothenburg ob der Tauber, Schloss Neuschwanstein, Altötting und vielen mehr, eine wunderbare Bayernwerbung darstellt. Und zumindest die erwähnten Beispiele zeigen, dass es ein solches Spiel für Österreich bis jetzt nicht zu geben scheint.
(Sogar ein Spiel mit Wolfgang Amadeus Mozart als Protagonisten11 hat sich Prag als Schauplatz auserkoren.)

Die genannten Spiele sind lediglich Resultate einer ersten kurzen Recherche und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit (für Hinweise aus der Bevölkerung ist man jederzeit sehr dankbar). Dass hier durchaus ein gewisses Potential besteht, ein Österreichbild fernab von Klischees wie Landschaftskulisse und Nazis, spielerisch zu entwerfen, ist aufgrund dieses ersten Überblicks somit eher persönliche Meinung als wissenschaftlich fundiertes Ergebnis.

7 „Fanadventure“ ist momentan die gebräuchlichste Bezeichnung für Gratisspiele aus dem Adventure-Genre, auch wenn diese in manchen Kreisen als eher umstritten gilt.