Donnerstag, 3. Dezember 2015

#PlayingHistory – Spielerische Geschichte: Einführung

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Wissens- und Kulturvermittlung sind Bereiche, die gerne neue Wege beschreiten bzw. das auch tun müssen, um weiterhin erfolgreich Vermittlungsarbeit leisten zu können.
Einerseits geht es hier um neue Möglichkeiten der Informationsverbreitung, wie dies insbesondere durch die Einbindung der modernen sozialen Medienvielfalt geboten wird, andererseits stellt sich aber auch die Frage nach der Art und Weise, wie man die zu vermittelnden Inhalte interessant und ansprechend aufbereiten, darstellen und weitergeben kann.
Für letzteres scheint immer häufiger vor allem der Bereich interessant, der mit Gamification zusammengefasst wird, womit sehr allgemein definiert, die Übernahme von Spielmechanismen in andere Lebensbereiche gemeint ist.
Es wird somit also auf die spielerische Natur des Menschen bei der Gestaltung des Lernprozesses abgezielt, sei es etwa in Form gesteigerter Interaktivität beispielsweise in Museen oder als Versuch, neue Erfahrungen mittels Verbindung von Realität und Virtualität zu ermöglichen – eine sehr interessante Diskussion hierzu wurde am Beispiel von „Ingress“ beim Histocamp am 28. November 2015 geführt.1

Eine weitere Variante ist nicht die bloße Übernahme spielmechanischer Praktiken in den Alltag, sondern die Benutzung des Spieles als solches zur Wissensvermittlung. Sehr interessantes Beispiel hierfür ist das Spiel „Imagoras“ - Ergebnis einer Kooperation des Städelmuseums mit den Spieleentwicklern von Deck13.2 Es erfolgt hier ein spielerischer Zugang zu Gemälden des Städelmuseums ohne ein aufdringlich aufgedrücktes Siegel „Lernspiel“.
„Imagoras“ zielt in erster Linie noch auf Kinder als Publikum ab, wobei Spiele dieser Art, meines Erachtens, durchaus auch für Erwachsene funktionieren können.

Wichtige Punkte, die es hierbei zu beachten gilt, sind zum einen die Vermeidung von ausdrücklichen Lernspielen. Ist der didaktische Zeigefinger bereits von Anfang an sichtbar, stellt sich bei all jenen, die eigentlich gar nicht so sehr etwas lernen wollen, sofort Verweigerung ein. Spiele sind in erster Linie eine unterhaltsame Beschäftigung und sollten somit die angestrebte Lernerfahrung eher subtil als eine Art Beiwerk mitgeben bzw. eine Motivation liefern, sich mit einem Thema in der Folge genauer zu beschäftigen. Zum anderen ist auch zu bedenken, dass die Interaktivität nicht in Zwang ausartet. Es gibt Menschen, die absolut nicht spielerisch veranlagt sind (und auch solche, die heute noch ohne Smartphone ein Museum besuchen), denen man durch die Bereitstellung solch interaktiver, spielerischer Optionen nicht den Eindruck vermitteln darf, ohne deren Nutzung etwas zu verpassen oder in ihrem Erleben beschnitten zu werden (möglicherweise eine Gratwanderung, die nicht immer einfach zu bewältigen ist).

Die spielerische Geschichte will nun ihren Blick vor allem auf diese Möglichkeit der Computerspiele als subtile Lernhelfer werfen.
Die Varianten der Umsetzung sind zahlreich. Zu den recht offensichtlichen Beispielen zählen Strategiespiele, in welchen historische Schlachten nachgespielt bzw. möglicherweise sogar alternative Geschichtsentwürfe erspielt werden können. Insbesondere die Kriege des 20. Jahrhunderts scheinen gerne „inspirierend“ auf die Spieleentwicklung zu wirken.3

Eine weitere Möglichkeit ist die bloße Gewandung des Spieles in ein historisches Outfit. Als Beispiel möchte ich hier auf den Platformer „Apotheon“4 verweisen, der gewissermaßen „klassisch griechisch“ designt ist und einen sehr stimmungsvollen Ausflug in die griechische Mythologie ermöglicht, was sich folglich sehr motivierend auf eine weitere diesbezügliche Beschäftigung auswirken kann.

Die Heranziehung eines historischen Kontextes, um darin eine rein fiktive Handlung einzubetten stellt eine weitere Option dar. Als besonders reizvolles Beispiel hierfür nenne ich „The Last Express“5, ein Adventurespiel, dessen fiktive Handlung sich im Orient-Express auf seiner letzten Fahrt von Paris nach Konstantinopel vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges ereignet. Die Inszenierung des Spiels vermittelt stets die sehr brisante Zeit, in der man sich befindet.

Die deutlichste Möglichkeit, spielerische Geschichte zu betreiben, ist natürlich die handlungstragende Verarbeitung historischer Fakten selbst. Als Beispiele können hier wieder (wohl nicht nur aufgrund persönlicher spielerischer Vorlieben) Spiele aus dem Adventure-Genre genannt werden, deren wesentliches Kennzeichen eben das Vorhandensein einer Handlung ist, die spielerisch erzählt wird. Als willkürliche Auswahl aus einer Reihe von entsprechenden Spielen, wäre etwa „Baphomets Fluch 1“6 zu nennen, welches die Geschichte der Tempelritter zum Thema macht (noch zu einer Zeit, bevor es üblich wurde, die Templer als Grundvoraussetzung für jede vermeintliche Weltverschwörung heranziehen zu müssen) oder „Gabriel Knight 2: The Beast Within“7, welches die Geschichte des bayerischen Königs Ludwig II. aufgreift.

Gemeinsam ist diesen Spielen in der Regel, dass sie historische Fakten aufgreifen, diese jedoch in unterschiedlichem Ausmaße adaptieren und umbauen, um einen für das Spiel beabsichtigten spannenden Handlungsbogen schaffen zu können.
Das ist wissenschaftlich betrachtet etwas, das man eigentlich nicht gerne sieht. Diverse TV-Dokumentationen, die den Anspruch der Information an die erste Stelle setzen, werden für reißerische Inszenierungen und eine dafür scheinbar notwendige Verstümmelung der Inhalte kritisiert, bei Spielen mag man es jedoch akzeptieren. Warum?
Bei Spielen steht die Unterhaltung im Vordergrund und nicht der tatsächliche Informationsgehalt. Somit dürfen sie verfremden, um zu unterhalten. Wobei natürlich auch hier zu fragen ist, wie weit die dichterischen Freiheiten wirklich gehen dürfen. Darf etwa die Spielfigur ein „rechtschaffener“ Inquisitor sein, der die „bösen“ Hexen zur Strecke bringt? Ob hier dennoch argumentiert werden kann, dass Spieler auch auf diese Weise motiviert werden, zu dem Thema eigenständig weiter zu recherchieren oder zur Selbstreflexion bewogen werden, wenn es um die moralische Bewertung geht, bedarf noch weiterer Überlegungen.

Inwiefern diese Entwicklung von Spielen zur Wissensvermittlung etwa für Kulturinstitutionen einen größeren Nutzen als Aufwand darstellt, ist wahrscheinlich schwer abzuschätzen. Denn da diese Spiele in erster Linie unterhalten statt belehren wollen, ist immer ein gewisses Potential vorhanden, dass die Subtilität der Vermittlung nicht zum gewünschten Erfolg führt – es wird immer Personen geben, die ein historisches Outfit oder entsprechenden Kontext zwar bestenfalls zur Kenntnis nehmen, aber nicht weiter hinterfragen und folglich auch nicht daraus und dadurch etwas lernen.

Dies sollen in aller Kürze erste allgemeine Gedanken zum Thema der spielerischen Geschichte sein. Zweifelsohne gibt es noch weitere Aspekte und Perspektiven, die dann vielleicht bzw. hoffentlich in der weiteren Aufarbeitung entsprechende Berücksichtigung finden werden.


1 Video der Session 3: http://histocamp.hypotheses.org/livestream; Protokoll: #erinnern – Gamification & multiperspektivische Darstellung http://bundesstadt.com/wp-content/uploads/2015/11/Histocamp_3-K1_erinnern.pdf

Sonntag, 2. August 2015

Stilistische Mischung - Burg Kreuzenstein

Die strategisch günstige Lage der Burg Kreuzenstein mit Blick über weite Teile Niederösterreichs bis nach Wien ist authentisch, die Burg selbst jedoch nicht mehr. 

Burg Kreuzenstein - fern und nah
Die Ursprünge der Burg liegen in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts – hier taucht erstmals der Name „Grizanstein“ auf.
Die Besitzverhältnisse wechselten recht häufig – bekannte Namen wie etwa Niklas Graf von Salm, der Befehlshaber des österreichischen Heeres während der ersten Türkenbelagerung Wiens im Jahr 1529 waren unter den Burgherren zu finden.

Der Grund, weshalb die Burg nicht mehr authentisch ist, sondern vielmehr eine sehr ideale Vorstellung einer mittelalterlichen Ritterburg darstellt, liegt in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Kampflos wurde die Burg 1645 der schwedischen Armee überlassen, die diese jedoch bei ihrem Rückzug sprengte. Fortan sollten für lange Zeit nur noch einige Überreste an den einstigen Wehrbau erinnern.

Erst im 19. Jahrhundert befasste sich Graf Johann Nepomuk Wilczek (1837-1922), dessen Familie gegen Ende des 17./Anfang des 18. Jahrhunderts in den Besitz der Burg kam, mit deren Wiederaufbau, wie wir sie heute kennen.

Ursprünglich sollte die Burg zum Zwecke einer Familiengruft wieder errichtet werden und wurde in weiterer Folge ein Hort für die wertvollen Objekte des enthusiastischen Sammlers Wilczek. So kam es teilweise sogar vor, dass der Bau auf das für bestimmte Möbel benötigte Raummaß abzustimmen war – als ein Beispiel hierfür ist der im Essenssaal befindliche große Schrank aus dem Kloster Neustift bei Brixen zu nennen. 

Blick auf den inneren Burghof
Insbesondere für die Zeit Kaiser Maximilans I. (1459-1519) besaß Wilczek ein ausgeprägtes Faible, weshalb der Bau insgesamt recht „rencaissancelastig“ wirkt. Baustile vereint die Burg jedoch viele – Romanik, Gotik, deutsches Fachwerk, sowie eine venezianische Loggia wurden hier kombiniert. 

venezianische Loggia grenzt an deutsches Fachwerk
Bei der in der Burg befindlichen Waffenkammer handelt es sich angeblich um die größte Waffensammlung in privatem Besitz.

Weitere Schäden erlitt die Burg im Jahr 1915, als bei einem Brand etwa ein Viertel des Baus, sowie viele unwiederbringliche Objekte (z.B. Handschriften, alte Musikinstrumente, Radierungen von Dürer und Cranach) zerstört wurden.

Im Zweiten Weltkrieg war die Burg nicht direktes Angriffsziel, stand jedoch im Schussfeld, weshalb Dächer und Mauern durch Artilleriegeschossen beschädigt wurden (einige Einschüsse kann man heute noch sehen).

Der heutige Besitzer der Burg ist Hans Heinrich Wilczek.

Links:

Dienstag, 17. Februar 2015

Wagenburg: Mobilität der Monarchie

Die Kaiserliche Wagenburg Wien, zu finden beim Schloss Schönbrunn, bietet einen eindrucksvollen Einblick in die Kutschen der Habsburgermonarchie.

Gezeigt werden Wägen unterschiedlicher Ausstattung und Größe. Man sieht beispielsweise eher einfach gehaltene Leib-Coupés, die im Alltag verwendet wurden.

Leib-Coupé aus dem Jahr 1887, gebaut von Carl Marius
Im Kontrast dazu stehen die sehr aufwendig gestalteten Prunkgefährte wie etwa der "Trauer-Huldigungswagen", welcher ursprünglich vergoldet, später schwarz übermalt wurde. Sowie der Imperialwagen, der ausschließlich von Kaiser und Kaiserin bei wichtigen Zeremonien verwendet wurde. Die letzte Ausfahrt mit dem "Thron auf Rädern" fand 1916 statt, als Kaiserin Zita mit Sohn Otto für die Krönung Kaiser Karls zum König von Ungarn zur Kirche fuhr.

Imperialwagen
Sehr charmant sind die gezeigten "Kinderwägen" des kaiserlichen Nachwuchses, bei welchen es sich um ebenso kunstvoll und aufwendig gestaltete kleinere Kutschen handelt. Abbildungen zeigen, dass anstelle von Pferden hier Esel oder Ziegen als Zugtiere zum Einsatz kamen.

Eines der imposantesten Exemplare des Hauses ist wohl der schwarze Leichenwagen, der, passend zum dafür vorgesehenen Anlass, sehr wuchtig und erdrückend wirkt. Seine letzte Verwendung fand er bei der Bestattung von Kaiserin Zita im Jahr 1989.

Leichenwagen
Momentan gibt es in der Wagenburg auch eine Sonderausstellung zum Wiener Kongress 1814/15 zu sehen - "Der Kongress fährt". Eine informative nicht überladene Schau, die Einblicke in die logistische Bewältigung dieses Großereignisses bietet und als ein konkretes Beispiel die große Schlittenfahrt vom 22. Jänner 1815 ausführlicher beleuchtet.

Schlitten des Fürsten Windisch-Graetz
Neben dem Wagensortiment beherbergt die Wagenburg auch "Zubehör" wie Reit- und Zuggeschirr, sowie Kleidungsstücke des Hofes (Livreen, persönliche Stücke von Kaiser und Kaiserin, Uniformen etc.).

Überblick von oben
Die für den Schauraum getroffene Auswahl ist, meines Erachtens, sehr passend, weil Wert darauf gelegt wurde, einzelne Einblicke zu gewähren, eindrucksvolle Exponate herauszugreifen, anstatt die Priorität auf die Quantität zu verlagern und den Raum damit zu überfrachten.
Leichter Verbesserungsbedarf besteht bei manchen Beschriftungen. Diese sind recht nahe am Objekt und somit hinter der jeweiligen Absperrung aufgestellt, so dass man sich während des Aufenthalts bald an ein regelmäßiges Aufheulen des Alarms da und dort gewöhnt bzw. auch selbst beim Lesen ein solches verursacht.

Wenn die Temperatur des Schauraumes auch im Sommer ein ähnliches Niveau wie jetzt hält, dann sei diese Ausstellung als idealer Aufenthaltsort für eine sommerliche Hitzewelle empfohlen. Die Objekte werden in der Tat gut gekühlt und bleiben uns somit hoffentlich noch lange erhalten.

Link:
Kaiserliche Wagenburg Wien

Dienstag, 10. Februar 2015

#PlayingHistory: Spielerische Mythologie - Apotheon

Computerspiele mit dem ausdrücklichen Ziel, Wissen zu vermitteln, kennt man - tituliert als "Lernspiele", bilden sie eine Kategorie für sich und sind überwiegend auf Kinder zugeschnitten.

Es gibt jedoch auch Spiele, die zwar mit Priorität auf den Unterhaltungswert entwickelt werden, aber dennoch lehrreich sind. Da mich gerade ein besonders stimmiges Exemplar dieser Sorte fasziniert, möchte ich ein paar Worte darüber verlieren.

Es handelt sich um das Spiel "Apotheon" - ein Jump'n Run bzw. Platformer, das einem spielerisch durchaus einiges abverlangt, aber einen fabelhaften Ausflug in die Welt der griechischen Mythologie bietet.

Optisch hat man etwa den Eindruck, über die bekannte François-Vase zu spazieren:

François-Vase. Foto: Wikipedia/Sailko/CC BY-SA 3.0
Apotheon-Screenshot
Inhaltlich war man ebenso bemüht, sich an den vorhandenen Quellen zu orientieren. So wurden als Informationen zu den jeweiligen Göttern im Spiel beispielsweise Auszüge aus Homer oder Hesiod integriert.

Apotheon-Screenshot
Spielerisch steuert man den Helden Nikandreos, der großteils metzelnd den Olymp erkundet, in den Hades hinabsteigt etc. um diverse Aufgaben zu bewältigen.

Apotheon-Screenshot
Insgesamt wird hier ein sehr authentisches und liebevoll gestaltetes Bild der griechischen Mythologie entworfen, welches sowohl unterhaltsam als auch sehr informativ und lehrreich ist.

Und warum berichtet man über so etwas in einem vorzugsweise eher wissenschaftlich ausgerichteten Blog?

Meines Erachtens, wird hier ein sehr gelungenes Beispiel aufgezeigt, wie die Verwendung neuer Technologien zur Wissensvermittlung im kulturellen Bereich verwendet werden kann, ohne gleich offiziell mit dem Stempel "Lernspiel" versehen zu werden. Es geht hier in erster Linie sicherlich um Unterhaltung, dennoch fällt dieser nicht der inhaltliche Gehalt zum Opfer.

So läge beispielsweise für Museen viel Potential darin, mögliche virtuelle Rundgänge durch ihr Haus oder auch die digitale Aufbereitung von spezifischen Ausstellungen spielerisch zu gestalten.
Auf diese Weise wäre zum einen die Kernkompetenz von Museen - die Wissensvermittlung - unterstützt bzw. würde bereits vor dem eigentlichen Besuch eine thematische Auseinandersetzung ermöglicht. Zum anderen darf auch die Werbewirkung auf den Menschen als "Homo ludens" nicht unterschätzt werden.
Ich denke, Museen müssen nicht fürchten, dass die Bereitstellung ihrer Inhalte im Netz den Museumsbesuch ersetzt, sondern dies dient viel eher als Anreiz, sich Gezeigtes und Gespieltes endlich auch einmal im Original anzusehen.

Persönlich finde ich solche spielerischen Applikationen im Vorfeld sogar reizvoller als interaktive Elemente vor Ort, welche bei großem Besucherandrang möglicherweise auch gar nicht immer zugänglich sind.
Wobei festzuhalten ist, dass diese und weitere Komponenten sich keineswegs gegenseitig ausschließen müssen. Letztlich entscheidend ist diesbezüglich wohl (leider) immer die Ressourcenfrage.

Nachtrag vom 11.02.2015:
Auch im Standard ist nun eine Rezension über das Spiel erschienen: HIER